Vielleicht ist es anders als wir denken. Wir meinen die Zukunft liege vor uns und hinter uns die Vergangenheit. Vielleicht stellen wir uns die Zukunft als einen Weg vor, den wir vor uns haben. Andere Kulturen denken es sich anders: Die Vergangenheit vor uns, die Zukunft hinter uns (weil wir sie nicht sehen können). Aber rückwärts in die Zukunft stolpern, das kann ja heiter werden……………………………………………………
Und dieser Blindflug von Weg soll auch noch das Ziel sein. Doch ob vorwärts oder rückwärts: Gehen wir im Leben überhaupt „einen Weg“, wie so oft metaphorisch nahegelegt wird?
Einen ganz unmetaphorischen Weg gehen wir insofern, als dass wir ja Körper haben und also physikalische Gegenstände sind (freilich belebte Gegenstände). Jeder von uns nimmt einen einmaligen Weg durch den Raum, während die Zeit vergeht. Aber gehen wir durch die Zeit? Das klingt so, als bewegten wir uns durch die Zeit. Und nun Obacht, denn jetzt kommt etwas philosophischer Kitsch: „Wandeln wir auf unserem Lebensweg nicht alle durch die Zeit, durch die vergehenden Jahre – ja, sind wir nicht alle Zeitreisende?“
Nein, sind wir nicht. Wir leben einfach, während die Zeit eben vergeht. Wir reisen durch den geographischen Raum, vielleicht reisen wir auch in Gedanken durch den Raum, oder sogar durch die Zeiten, wenn wir uns gedanklich in entlegene historische Zusammenhänge versetzen, z. B. in die sagenumwobene Zeit, als man mit Telefonen nur telefonieren konnte (das muss irgendwann in der frühen Rennaissance gewesen sein…) – aber durch die Zeit reisen wir nicht. Warum nicht? – zurück zum Zeitpfeil:
Wir denken uns Zeit häufig als Koordinatensystem: „jetzt“ ist t0, spätere Zeitpunkte sind auf der x-Achse dann t1, t2 usw. Wir meinen: Wenn dann die Zeit vergeht, bewegen wir uns auf dem Zeitpfeil von t0 nach t1 usw. Aber ist es nicht gerade umgekehrt? Auch die Sonne kreist ja nicht um die Erde, „obwohl es so aussieht“ (der Witz ist ja gerade, dass es umgekehrt genauso aussieht!). Und genauso unterliegen wir einer Täuschung, wenn wir meinen, wir würden uns auf dem Zeitpfeil bewegen. Vielmehr sind wir immer bei t0 – immer „jetzt“. Unseren Zeithorizont verstehen wir immer ausgehend von diesem „jetzt“ – so wie wir eine Karte nur benutzen können, wenn wir wissen, wo auf der Karte wir gerade sind. Und so sind wir immer Nullpunkt des zeitlichen Koordinatensystems, das wir mit uns herumtragen.
Fazit: Wenn die Zeit vergeht, dann bewegen nicht wir uns auf dem Zeitpfeil, sondern umgekehrt: Der Zeitpfeil bewegt sich durch uns hindurch – und spürbar nagt dabei an uns der Zahn der Zeit (Moment mal – die Zeit ist ein Pfeil mit Zähnen?). Wie auch immer, wenn hier einer reist, dann die Zeit durch uns.
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